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Auf den Spuren einer Diktatur – Spannendes Zeitzeugengespräch mit Roland Jahn

Einmal in die Zeit unserer Eltern schlüpfen und erfahren, wie es damals – vor 40 Jahren - genau abging. Dies konnten wir - rund 50 Schülerinnen und Schüler der Klassen FO17/1 und FO17/2 - in einem Geschichtsprojekt am vergangenen Mittwoch erleben.

Während eines Besuchs im Schulmuseum – gleich neben dem ehemaligen Stasibunker am „Runden Eck“ – wurden wir in einem kurzen Workshop auf das Thema „Jugend und Schule in der DDR“ eingestimmt, lernten typische Merkmale der DDR kennen. Dabei stellte sich heraus, dass stets dann ein Problem in der Klasse herrschte, wenn jemand nicht der Pionier- und Jugendorganisation der DDR angehören wollte – er wurde ausgegrenzt.

Nach der Einführung ging es dann in den praktischen Teil über. Im nachgestalteten DDR-Unterrichtsraum erlebten wir den damaligen Unterrichtsalltag hautnah - von der Ausgrenzung „nichtkonformen“ Mitschülers, über das gemeinsame Singen des Pioniermarsches bis hin zur Ehrung eines Schülers für fleißiges Altpapiersammeln. Alles war dabei und zeigte stark den Kontrast zum heutigen Schulsystem.

Nach einer Mittagspause stand das Highlight auf dem Programm. Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, stellte sich unseren Fragen, die sehr umfangreich ausfielen. Den Schwerpunkt bildete natürlich das Thema „Jugend, Anpassung und Opposition in der DDR“, aber auch die Frage, warum die Beschäftigung mit der DDR, beispielsweise in Gestalt der Stasi-Akten, auch heute noch aktuell ist. In einer sehr persönlichen Gesprächsatmosphäre überzeugte uns der Zeitzeuge mit seiner bodenständigen und sympathischen Art, aber auch seinen differenzierten und spannenden Antworten. So sprach der DDR-Bürgerrechtler, Dissident und Journalist von seinen Erlebnissen und Erfahrungen im Umgang mit den DDR-Oberen. Roland Jahn wurde 1982 - nach vielen regimekritischen Äußerungen und dem Anbringen einer polnischen Fahne an seinem Fahrrad mit der Aufschrift „Solidarność z polskim narodem“ (Solidarität mit dem polnischen Volk) - zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt. In Haft unterschrieb er einen Ausreiseantrag, um früher frei zu kommen. Diesen zog er nach seiner Freilassung allerdings wieder zurück. Trotzdem musste er 1983 ausreisen und die DDR somit unfreiwillig verlassen. Obwohl ihm das DDR-Regime so übel mitgespielt hatte, plädierte er am Mittwoch dafür, den Tätern der Vergangenheit in der Gegenwart die Möglichkeit zu geben, sich in persönlichen Gesprächen für deren damaliges Verhalten zu rechtfertigen, ihre Geschichte zu erzählen. Unser Gespräch mit dem Träger des Bundesverdienstkreuzes beschäftigte sich auch mit gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen der Demokratie, so etwa mit der Frage nach den Grenzen der Meinungsfreiheit und der Bedeutung eines couragierten Handelns im Alltag. Anpassen oder Widersprechen, das war eine Frage, die sich in der DDR für viele stellte und die sich jeder von uns auch aktuell wieder öfters stellt. Insofern war sein Thema auch unser Thema. „Je besser wir begreifen, wie die Diktatur in der DDR im Alltag funktioniert hat, desto besser können wir, hier und heute, Demokratie gestalten“, so Jahn. Nun kommt es für uns darauf an, zu handeln. Diese Aufforderung nehmen wir aus dem äußerst interessanten Gespräch mit.


Philipp Mitteldorf, FOS 17/1 (20.09.2018)

Schulmuseum Leipzig


Zeitzeugengespräch mit Siegbert Schefke, dem Mann, „dessen Bilder die Mauer fallen“ ließen

Auf einem weiten Weg gibt es keine leichten Lasten

Ein weiteres Zeitzeugengespräch war der Höhepunkt der 2. Runde des Unterrichtsprojektes der 12. Klassen unserer Fachoberschule zur DDR-Geschichte. „Gerade die Geschichte der letzten Jahre und Jahrzehnte ist für uns besonders interessant“, so Axel Sylvester, einer der beiden federführenden Geschichtslehrer an unserem Berufsschulzentrum. „Teilweise ist diese auch besonders präsent bei den Schülern beziehungsweise deren Eltern, mit denen sie ja darüber reden. Und wie relevant die Begegnung mit Zeitzeugen auch im schulischen Unterricht ist, wird gerade anhand des Verlustes der Holocaust-Zeitzeugen spürbar.“  Deshalb hat das „Pädagogen-Tandem“ Sylvester/Zangrando diese Unterrichtsmethode für das von ihnen konzipierte DDR-Projekt gewählt, haben sie großen Wert auf eine gute organisatorische Planung und vor allem eine gründliche inhaltliche und methodische Vorbereitung der Lernenden gelegt. Und die Schüler*innen dankten es ihnen, indem sie sich schon im Vorfeld der Begegnungen mit Roland Jahn und Siegbert Schefke sehr engagiert mit dem Alltag in der DDR beschäftigt oder auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen 2019 die Problematik von „Wahlen in Diktatur und Demokratie“ recherchiert und diskutiert hatten. Die Rolle der Staatssicherheit etwa wurde dabei ebenso besprochen wie die der Opposition in der DDR. Dies alles führte dann letztlich dazu, dass für die Schüler in den Gesprächen mit den Zeitzeugen deren geschilderten Erlebnisse und Erfahrungen das bereits Bekannte illustrierten, durch das Zusammentreffen der unterschiedlichen Generationen häufig aber auch neue Akzente gesetzt werden konnten.  So war es auch bei der Begegnung mit Siegbert Schefke.

Schefke (geb. 1959 in Eberswalde), der sich früh der Arbeit in Friedens- und Umweltkreisen widmete, war 1986 Mitbegründer der „Umwelt-Bibliothek“ in der Zionskirche in Ost-Berlin, dokumentierte den baulichen Zustand einiger Städte in der DDR und die damals real-existierende Umweltzerstörung. Der ab 1987 als freiberuflicher Fotograf, Journalist und Kameramann tätige Bürgerrechtler schmuggelte das illegal entstandene Material mithilfe westlicher Journalisten und Diplomaten in die Bundesrepublik. Sein größter Coup gelang Schefke am 9. Oktober 1989, als sein heimlich gedrehter Beitrag über die Demonstration von 70.000 DDR-Bürgern in Leipzig in den Tagesthemen ausgestrahlt wurde. Die sensationellen Aufnahmen des „Tages der Entscheidung“, für die er übrigens eine Kamera des bereits ausgebürgerten Roland Jahn benutzte, gehören zum Bildgedächtnis der Friedlichen Revolution. Um Schefke zu schützen, gab die ARD damals als Herkunft der Bilder an, sie stammten „von einem italienischen Kamerateam“.

Der heute beim MDR beschäftigte Journalist erwies sich während der Diskussion mit den 42 Fachoberschülern nicht nur als personifizierte Geschichtsquelle, sondern auch als launiger Erzähler seiner Erinnerungen, die von ihm zum Teil schmerzvoll, teilweise aber auch mit einem Augenzwinkern vorgetragen wurden. So entwickelte sich im zweiten Teil des Gespräches ein sympathisches und interessantes Frage- und Antwortspiel zwischen den Protagonisten. Dabei waren kritische Fragestellungen – etwa die nach der Rolle von Medien sowohl damals als auch heute - ebenso zugelassen wie solche nach den „Frauengeschichten“, die die Staatssicherheit der DDR „organisierte“, um an Schefke und seine Informationen heranzukommen.

Am Ende der Veranstaltung zogen beide Seiten ein überaus positives Fazit. Unser Gast lobte das Faktenwissen der 12er, das sie überhaupt erst in die Lage versetzt hatte, historisch relevante Fragen zu stellen. Die Lernenden verwiesen auf die Offenheit des Zeitzeugen und betonten, dass seine sehr lebendige und ausdrucksstarke Rhetorik die Glaubwürdigkeit des Erzählten noch einmal unterstreichen konnte. Die Lehrer attestierten ihren Schüler*innen das richtige Gespür und die erforderliche Sensibilität, mit den beiden Zeitzeugen, angemessen umgegangen zu sein. „Das konzentrierte Zuhören, das kritische oder interessierte Nachfragen und die richtige Einordnung der Antworten hat das multiperspektivische Denken unserer Fachoberschüler definitiv gefördert“, resümiert Axel Sylvester am Ende der beiden Lerneinheiten stolz. Die Aufforderung beider Zeitzeugen, mutig für eigene Überzeugungen zu streiten, ist bei den Lernenden sicher angekommen. Ein schöner Erfolg!


J. Zangrando, 30.09.2018

 

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